Gedanken zu Corona – eine Metasicht
Ich schaue in den blauen Himmel, aus dem kräftige Sonnenstrahlen durch unsere wunderbare Birke die Erde bestrahlt. Auch höre ich die Vögel zwitschern und die Tauben gurren.
Was jedoch geschieht, wenn ich an die Berichte in den Medien denke? Welch eine Veränderung morgens auf den Straßen zu bemerken ist, da der Berufsverkehr nicht zu dem gewöhnlichen Stau führt? Was sehe ich, wenn die Geschäfte der Fußgängerzone geschlossen und die Kneipenmeile meiner Heimatstadt an einem Freitagabend wie leergefegt ist? Oder auch die Möglichkeiten von Politikern auf allen föderalen Ebenen im Radio höre, die mit Kreativität und erheblichem persönlichen Einsatz Rahmenbedingungen schaffen, die in „normalen“ Zeiten am Widerstand einzelner Interessen, der Lobbyisten oder auch einem Machtgehabe gescheitert wären?
Digitalisierung wird praktisch erfahrbar, neue Arbeitsweisen in home office zwangsläufig Realität, der Klimakiller CO2 reduziert sich erheblich, eine vor Corona eher anonyme Nachbarschaft wird lebendig und politische Populisten werden in ihrer Inkompetenz enttarnt. Diese Liste ließe sich beliebig weiterführen, auch extreme Schicksalsschläge für Mensch und Unternehmen könnten die Liste erheblich verlängern. Unvorstellbares wird zur Realität.
All dies hat einen Grund, den keiner von uns ohne ein Mikroskop zu sehen vermag. Es ist ein Virus, etwas so Kleines und doch so Wirkungsvolles. Etwas vollständig Neues, was wir sonst meinen grundsätzlich im Griff zu haben. Viele Geschichten, Gedanken – so wie meine – ranken sich z.Zt. allein um dieses Thema. Kein Gespräch, keine Nachricht oder Mitteilung in Fernsehen und über die sozialen
Medien kommen ohne dieses unsichtbare Etwas aus. Die Situation der Flüchtlinge, die Armut in der Welt oder auch die Folgen für die Welt, beim Ausbruch des Virus in einem Slum Afrikas, bleiben unbedacht im Fokus auf die eigene Überforderung.
Denn in unserer demokratischen und pluralen Gesellschaft ist eine jede Interpretation zu Corona vertreten. Ob nun die Tendenz „wir schaffen das“, „wir genießen die freien Tage“, „wir entschleunigen“ über die Aussage „China oder Russland seien für den Ausbruch bewusst verantwortlich“ oder auch die verschiedenen Horrorbilder einer Pandemie, die wir über Hollywoodfilme in unseren Köpfen verankert haben, scheinen Wirklichkeit werden zu können.
Manche stecken auch den Kopf in den Sand, verunglimpfen oder belächeln Aussagen des Robert-Koch-Instituts, setzen die Influenza auf die gleiche Stufe, vergleichen Todesstatistiken der Vorjahre, hamstern Klopapier oder Konserven, verstärken Ihre Zäune oder kaufen sogar Waffen für eine Zeit danach.
Jeder zeigt seine Angst auf seine eigene Weise. Viele Menschen werden zurückgeworfen auf ihr Reptiliengehirn, dass auf „Flucht oder Kampf“ gepolt ist, andere begründen Theorien, um „den“ Medien und „der“ Wirtschaft Verschwörung zuzuschreiben, ich schreibe, um meinen inneren Welten Ausdruck zu geben. Auch wird Klopapier in Praxen, Schutzausrüstung in Krankenhäuser gestohlen oder auch höhere Geldmengen im Garten vergraben. Weiterhin beleuchtet jeder die Situation aus einer anderen Zeitfacette heraus, und beruhigt sich durch Vorwürfe an „die“ Politik, „die“ Anderen, um sich selbst zu legitimieren und von der eigenen Unsicherheit abzulenken.
Was ist somit für mich das Gebot der Stunde? Ich glaube es geht um Vertrauen in die jeweiligen Verantwortlichen, die jeder auf seine Weise, gerade einen schweren Job machen. Seien es Politiker, Ärzte, Pflegepersonal, Polizisten oder andere neudeutsch genannte „System relevante Berufe“. Es ist wesentlich die Relevanz im Auge zu behalten, um daraus dann später zur rechten Zeit die passenden Schlussfolgerungen zu ziehen.
Die Folge von all dem ist dann, dass ich mich persönlich um meine bestmögliche Wirkung in meinem möglichen Handlungsrahmen kümmere. Denn was hilft es, sich über Szenarien eines „so hätte es sein sollen“ oder „das sollte jetzt geschehen“ auseinanderzusetzen oder sich über reale oder fake-Filme von YouTube aufzuregen?
Lasst uns doch in unserem Umfeld schauen, wer welche Unterstützung braucht. Klar, dass tun viele sicher schon jetzt, doch weiß ich von mir selbst von vielen Solos-Selbstständigen, die gerade am Rad drehen, Eltern, die nicht wissen, wie und was sie mit ihren Kindern anfangen können, Gesundheitspraxen, die überfordert sind, die unschätzbare Unterstützung des Staates beantragen zu können, Handwerker, die kleine Aufträge umsetzen, sonst jedoch große Ausfälle haben oder auch Inhaber von Kneipen und Gaststätten, die psychisch und materiell in Panik verfallen. Von den Kranken und alten einsamen Menschen gar nicht erst zu sprechen.
Lasst uns kreativ werden, uns zu diesen Menschen konkret hinwenden über Telefon und die digitalen Medien, einfach nachfragen – regelmäßig und bedarfsbezogen. Egal ob wir das jetzt bezahlt bekommen oder wir etwas von unserem Ersparten abgeben müssten. Das Leben, wenn wir es denn lassen, ist ein Spiel der Balance.
So kann dieses kleine Etwas, mit dem Namen Corona, ein Weckruf sein, wie sich dieses in der Evolutionsgeschichte schon häufiger ereignete. Inwieweit dadurch eine Art Reinigung der Erde entsteht, für eine Lebensweise von uns Menschen, die den Zyklus von Vernetzung und Symbiose vergessen haben, können wir ja nach Bewältigung dieser anspruchsvollen Zeit bewerten.
So ist ein jeder toter, ein jeder leidender Mensch sicher einer zu viel, die persönliche Trauer unermesslich, und dennoch zeigt sich auch, was wir als Menschen mit dem gesamten Leben an sich gemacht haben. Ich denke hier an unsere Insekten, den ausgelaugten Boden, die sich zurückziehenden Gletscher oder auch die gefährdete Schutzschicht um unseren Planeten herum und genauso die Auswirkungen einer durch Ökonomie und Finanzwirtschaft gesteuerten Gesellschaft.
Lasst uns doch in unserem persönlichen Wirkungskreis an unserem inneren Wandel arbeiten und das umsetzen, was dir und mir möglich ist. In diesem Falle stimmt die abgewandelte philosophische Aussage "Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du zugleich wollen kannst, dass diese auch für dich gelten soll".
Danke Corona für dieses Warnsignal, dass mir persönlich nur zeigt, auf welchem dünnen Drahtseil wir uns als Gattung bewegen. Erst recht, wenn ich erlebe, wie schwer es ist das Leben in all seinen verwobenen Bezügen zu betrachten. Denn denken kann ich alles, doch handeln kann allein ich.
— Michael Beilmann, Michael.Beilmann@wuerdekompass.org
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